Chronik der Hochwässer im Unteren Unterinntal

Keine Generation ohne Hochwasser-Erfahrung

Seit die ersten Siedlungen entlang des Inns befestigt wurden, hatten die Menschen mit hohen Wasserständen und Überflutungen zu kämpfen. Wirft man einen Blick in das Archiv des Hydrographischen Dienstes des Landes Tirol, scheint es von Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1518 an kaum eine Generation gegeben zu haben, die nicht zumindest ein Hochwasser miterleben musste. In den Chroniken wird von zerstörten Brücken, überschwemmten Kirchen und dem Verlust von Ernten berichtet – Messwerte wie Wasserpegel wurden zu dieser Zeit jedoch noch keine erhoben. Die ersten Wasserstandsaufzeichnungen gibt es in Tirol ungefähr seit dem Jahr 1860.

Für die Ermittlung eines 100-jährlichen Hochwassers, wie es etwa 2005 verzeichnet wurde, können gesicherte Daten ab dem Jahr 1951 herangezogen werden. Jene Abflussmengen, wie sie bei einem sogenannten Jahrhunderthochwasser auftreten, werden im statistischen Mittel alle 100 Jahre erreicht. Da es sich um einen Mittelwert handelt, kann ein Jahrhunderthochwasser jedoch auch mehrmals in hundert Jahren auftreten. Hochwasserprognosen sind auch heutzutage noch mit einer gewissen Unsicherheit in Bezug auf das Ausmaß und den Zeitpunkt von Ereignisfällen verbunden. Umso wichtiger sind gemeindeübergreifende Schutzmaßnahmen.

20. Juli 1946

Hochwasser im Tiroler Unterland und dem Zillertal

Ergiebiger Regen führt im Unterland und im Zillertal zu Hochwasser, Überschwemmung, Muren und Verkehrsunterbrechung. Die Überschwemmungen am Wörgler Bach führte unter anderem dazu, dass das Krankenhaus von Wörgl überflutet und verschlammt wurde.

Fotocredit: Stadt Wörgl 

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Juli 1954

Hochwasser am Wörgler Bach

Nach einem langanhaltenden Hochwasser mussten von der Innmündung aufwärts 7.000 bis 10.000m³ Geschiebe in der Stadtgemeinde Wörgl ausgebaggert und abgeführt werden.

15.- 16. Juli 1959

Hochwasser im Ober- und Unterinntal

Nach dem Vorstoß eines Azorenhoch entwickelt sich in den Alpen ein Tiefdruckgebiet. Die damit verbundenen Niederschläge bewirkten im Ober- und Unterinntal Jahreshöchstwasserstände am Inn (Innsbruck, 337 cm, 570 m3/s). 

Mai, Juni, Juli und September 1965 – Sommerliche Hochwasserperiode

Das Jahr 1965 ist geprägt von mehrmaligem Hochwasseralarm. Nach einem niederschlags- und schneereichem Winter setzt die Schneeschmelze im Frühjahr 1965 erst in der zweiten Junihälfte voll ein.
Hochwasser 1956 Andreas Oberhauser

Verstärkt durch die wiederholt begleitenden Gewitterregen stellt sich nach einem ersten Hochwasser im Mai 1965 vom 22. Juni bis 4. Juli eine weitere Hochwasserperiode ein. Derartige Wasserstände waren in anderen Jahren höchstens einmalig für jeweils wenige Stunden aufgetreten.

Die Marktgemeinde Wattens ist von diesem Hochwasserereignis in den Sommermonaten am schwersten betroffen. Bei einem Höchstwasserstand von 485 cm lag der Durchfluss am Pegel Innsbruck/Inn bei 1.100 m³/s, was heute als rund 25-jährliches Ereignis eingestuft werden kann.

Im selben Jahr meldet das Postenkommando Rattenberg am 2. September 1965 gegen Abend ein Hochwasser am Inn. Am Vormittag des nächsten Tages wird in Kramsach Hochwasseralarm gegeben.

Zu diesem Zeitpunkt ist der Inn in Hagau, Gemeindegebiet Kramsach, bereits über das Ufer getreten und auch Rattenberg und Radfeld sind betroffen.

Fotocredit: Scan Bild Andreas Oberhauser

5. – 6. August 1985

HQ100 im Unterland

Bei einer anfänglichen Nullgradgrenze um 4000 m fallen in der Nacht von 5. auf 6. August in Nordtirol 40 — 80 mm Niederschlag, die am 6. August weiter andauern. Besonders die Zubringer aus dem Alpenhauptkammbereich verschärfen das Hochwasser.
 
Am Pegel Kajetansbrücke (Gemeinde Pfunds) führte der Inn ein 5-jährliches Hochwasser (409 m3/s), in Innsbruck ein 30-jährliches (1140 m3/s) und ab Kirchbichl ein 100-jährliches Hochwasser (2198 m3/s). Im Kramsacher Moosfeld kommt es zu schweren Überflutungen., in Breitenbach stehen die Straßen unter Wasser. Das Hochwasser fordert 54 Menschenleben.

August 1987

Hochwasser zwischen Rotholz und Kirchbichl

Im August 1987 führen anhaltende Niederschläge bei gleichzeitig hochliegender Nullgradgrenze zu massiven Hochwässern im Tiroler Unterland.

Die Hochwasserscheiteldurchflüsse erreichen in Rotholz bei 1590 m3/s, in Brixlegg bei 2005 m3/s und in Kirchbichl bei 1855 m3/s. Ereignisse eines derartigen Ausmaßes sind im Bereich eines 100jährlichen Hochwassers angesiedelt.

22. - 23. August 2005
Jahrhunderthochwasser in ganz Tirol

Hochwasser 2005 Credits Polizei

Am stärksten betroffen waren 2005 das Tiroler Oberland mit den Gemeinden Pfunds und Paznaun, das Außerfern und der Raum Wörgl/Langkampfen.

In Innsbruck erreichte der Inn einen Pegelstand von 658 cm einen Scheiteldurchfluss von 1538 m3/s. Diese Werte sind die höchsten seit Beginn der Messungen im Jahre 1871 und entsprechen einem HQ 200.

Im Bezirk Kufstein spitzte sich die Lage am Nachmittag des 22. August zu. In Wörgl, Angath und Langkampfen mussten Teile der Bevölkerung evakuiert werden. Auch die Inntalautobahn war abschnittsweise überflutet. Das Hochwasser drang vorwiegend über die Seitenzubringer des Inns in den Siedlungsraum vor und verursachte beträchtlichen Schaden. Mehrere Straßenunterführungen sowie zahlreiche Häuser, Gewerbebetriebe und Schrebergärten wurden stark in Mitleidenschaft gezogen.


Das Hochwasser im Sommer 2005 hat eine Spur der Verwüstung in den betroffenen Gemeinden hinterlassen und die Aufräumarbeiten dauerten mehrere Wochen an.
In den Folgejahren wurden erste Hochwasserschutzmaßnahmen an neuralgischen Abschnitten entlang des Inns umgesetzt.

Fotocredit: Polizei

11. - 13. Juni 2019
Hochwasser bestätigt Gefahrenzonen

Nach einem schneereichen Winter und einem kühlen Mai hatte die Schneeschmelze in Kombination mit lokalen Gewittern die Pegel von Bächen und Flüssen in Tirol stark ansteigen lassen.

Anhand der Pegelstände wird die Entwicklung des Juni-Hochwassers 2019 deutlich: An den Pegeln im Oberland wurden Wasserstände eines ca. 50-jährlichen Hochwasserereignisses aufgezeichnet. Auch am Pegel Innsbruck befand sich die Hochwasserwelle mit einem Höchstwert von 632 cm in diesem Bereich.

Im Unterland war die Situation durch die bereits abgeschlossene Schneeschmelze günstiger. Aufgrund des geringen Abflusses am Ziller ging das Hochwasser flussab von Brixlegg deutlich zurück. In einigen Gemeinden lag der Pegelstand bei jener Marke, die nur rund alle 30 Jahre erreicht wird (HQ30). Prognosen hängen neben der Wetter- auch von der Abflussentwicklung entlang der Zubringer des Inns wie beispielsweise der Ötztaler Ache und des Zuflusses am Inn aus der Schweiz ab.

Das Hochwasser hat die Schwachstellen am Inn aufgezeigt und die Ergebnisse der Gefahrenzonenplanung bestätigt. Überflutet wurden ausschließlich landwirtschaftliche Flächen (insgesamt rund 500 ha), es gab keine Überflutungen im Siedlungs- oder Gewerbegebiet. Im Tiroler Unterland trat der Inn in mehreren Gemeinden wie z.B. Kolsass, Terfens, Buch, Münster und Reith i. A. über die Ufer. In Terfens haben sich die bestehenden Hochwasserschutzmaßnahmen für das Siedlungsgebiet bewährt.

19.07.2021 – HQ30 in Kufstein und Kitzbühel

 

Die starken Regenfälle am Samstag, den 17. Juli haben zu zahlreichen Einsätzen in den Bezirken Kufstein und Kitzbühel geführt. Die Überflutungen in der Kufsteiner Innenstadt betrafen vorwiegend Keller, Tiefgaragen sowie ebenerdige Geschäftslokale. Auch der Kindergarten und der Turnsaal der Stadt waren betroffen. Niemand wurde verletzt.

Während in Kitzbühel auf Grund von übergehenden Achen und Bächen vor allem Straßen gesperrt wurden, kämpft die Stadt Kufstein mit einer Überflutung im Stadtgebiet.

Die Niederschlagsmengen in den besonders stark betroffenen Gebieten im Tiroler Unterland lagen bei 70 bis 120 mm. Teilweise gab es sogar Spitzen bis zu 170 mm. Die Regenmengen führten zu einer Hochwasserentwicklung mit Hochwasserscheiteln über einem 30-jährlichen Hochwasser. Wegen der Unwetterfolgen kam es zu Straßen- und Zugsperren.

Fotocredit: ZOOM.Tirol

Hochwasser 2021 Zoom.tirol

28.08.2023 – vom HQ20 bis HQ100 in Tirol

 

Ein sogenanntes Genua-Tief bescherte Tirol am 27. August über 24 Stunden lang sehr große Niederschlagsmengen. Die gleichzeitig anhaltenden hohen Temperaturen führten dazu, dass es bis in hochalpine Höhen regnete und damit kein Rückhalt durch Schnee in den Bergen erfolgte. Das führte zu einem hohen Anstieg aller Inn-Zubringer: Pitze, Ötztaler Ache, Ruetz und Sill sowie Zillertaler Ache. Die Zubringer im Oberland lieferten dem Inn große Wassermassen und ließen ihn bei Haiming kurzzeitig sogar auf den HQ100-Wert anschwellen.

 

Durch die zeitliche Staffelung der Zuflüsse zum Inn erreichte der für das UUI maßgebliche Pegel Brixlegg am Montag um ca. 19:30 seinen Höchstwert knapp unter HQ30 (siehe Diagramm vom Hydrographischen Dienst Land Tirol unten). Für das Unterinntal sehr vorteilhaft wirkte der Rückgang der Regenintensität entgegen den ersten Prognosen ab Montagmittag.

Die Gemeinden des Wasserverbandes sind für solche Hochwassersituationen mit mobilen Hochwasserschutzelementen wie mit Kies gefüllte Bigbacks und die roten L-Profile gut gerüstet. Diese Werkzeuge tragen wesentlich zum Schutz der Siedlungsgebiete bei, bis das Hochwasserschutzprojekt des Unteren Unterinntals wirksam wird.

Fotocredit: Wasserverband Hochwasserschutz Unteres Unterinntal

 

Diagramm links: Der Pegel Brixlegg erreichte das HQ30-Niveau nicht. Auszug vom hydrographischen Dienst Land TIROL