Fragen und Antworten

Sie haben Fragen zum Thema Hochwasserschutz und Wasserverband? Hier finden Sie die wichtigsten Antworten thematisch zusammengefasst.


Grundlagen

Nach dem Hochwasser von 2005 wurde im Zuge der Regionalstudie Unterinntal eine Hochwasserschutzdefizitanalyse durchgeführt. Das Ergebnis: Bei einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ100) würden ca. 360 Hektar Siedlungs- und Gewerbegebiet im Unterinntal überflutet und Menschenleben gefährdet. Um dieses realistische Szenario zu verhindern, braucht es Schutzmaßnahmen wie Mauern, Dämme und Retentionsräume.

Ein HQ 100 ist ein Hochwasserabfluss in einem Fluss, Bach oder Gerinne, der im Durchschnitt einmal in hundert Jahren erreicht oder überschritten werden kann. Dieser Wert ist für jeden Fluss, Bach oder jedes Gerinne unterschiedlich. Er wird in Österreich standardmäßig für die Bemessung von Hochwasserschutzbauten verwendet.

Ein Gefahrenzonenplan stellt den Ist-Zustand der Hochwassergefährdung dar und zeigt, welche Flächen bei einem 100-jährlichen Hochwasserereignis überflutet werden. Er ist damit die Grundlage für Hochwasserschutzmaßnahmen, Raumplanung, Bauwesen und Katastrophenmanagement. Wesentliche Grundlagen für den Gefahrenzonenplan sind hydrologische Daten und ein dreidimensionales Geländemodell.

Im Hochwasserfall (HQ 100) beträgt die Wassertiefe in einer roten Zone mindestens 1,5 Meter, oder die Fließgeschwindigkeit übersteigt 2 Meter pro Sekunde. Es besteht Lebensgefahr. Gelbe Zonen stellen Überflutungsflächen mit einer geringeren Gefährdung dar.

Nach der Umsetzung von Hochwasser-Schutzmaßnahmen wird der Gefahrenzonenplan angepasst. Hochwassergeschützte Gebiete sind dann nicht mehr als Rote oder Gelbe Zone ausgewiesen. Es verbleibt jedoch ein Restrisiko, wenn beispielsweise ein größeres Ereignis als ein HQ100 auftritt.

Jede Überflutungsfläche, auf die im Fall eines Hochwassers Wasser fließt, ist ein Retentionsraum. Man unterscheidet dabei natürliche und künstliche Retentionsräume. Künstliche Retentionsräume sind Rückhalteanlagen, in denen Wasser gezielt für einen gewissen Zeitraum zurückgehalten werden kann. Man spricht von optimierten Retentionsräumen, wenn bestehende natürliche Überflutungsflächen bei einem Hochwasser gezielt genutzt werden. Das Wasservolumen im optimierten Retentionsraum setzt sich zusammen aus den ursprünglichen natürlichen Überflutungsmengen und dem Wasser, das aus den geschützten Siedlungs- und Gewerbeflächen verdrängt wird.

Die Retentionsräume sind für ein HQ100, also ein sehr seltenes Ereignis, ausgelegt. Für noch seltenere, größere Ereignisse gibt es eigene Sicherheitsvorkehrungen an den Anlagen, damit es zu keinem Versagen kommt.

Ein Generelles Projekt ist ein Entwurf, der der detailierteren Planung vorausgeht.  Die Zielsetzungen des Projekts als auch die Art und Weise der vorgesehenen Maßnahmen werden in ihren Grundzügen darstellt.

Wasserverband

In einem Wasserverband schließen sich mehrere Gemeinden und Infrastrukturträger zu dem Zweck zusammen, Hochwasserschutzmaßnahmen gemeinsam zu erarbeiten, zu errichten und in Stand zu halten. Ähnliche Verbände existieren zum Beispiel für die gemeinsame Abwasserentsorgung, gemeinsame Abfallentsorgung, Krankenversorgung usw.

Die Hochwassersituation in flussabwärts liegenden Gebieten darf nicht verschärft werden. Durch Hochwasserschutzmaßnahmen werden Überflutungsräume reduziert – das Wasser hat im Katastrophenfall weniger Platz. Um die Situation für flussabwärts liegende Gebiete nicht zu verschärfen, muss die Reduktion der ursprünglichen Überflutungsräume ausgeglichen werden. Da nicht jede Gemeinde über genug Flächen zum  Ausgleich der Hochwasserschutzmaßnahmen verfügt, braucht es in bestimmten Tallagen eine gemeindeübergreifende Zusammenarbeit.

Wasserverbände oder Gemeinden können ein Hochwasserschutzprojekt zur Genehmigung und finanziellen Förderung einreichen und sorgen nach der erfolgreichen Errichtung auch für den Betrieb und die Instandhaltung.

Der Hochwasserschutz fällt grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Gemeinden. Die Finanzierung wird aber großteils vom Bund mit ca. 85% der Kosten übernommen. Der Rest wird nach dem Verteilungsschlüssel des Wasserverbandes zwischen den Gemeinden und Infrastrukturträgern aufgeteilt.

Die Gemeinden haben bereits gemeinsam einen genauen fairen Verteilungsschlüssel der Kosten des Interessentenanteiles erarbeitet. Die Kosten sind so aufgeteilt, dass Gemeinden, die Ausgleichsmaßnahmen schaffen, entlastet werden.

Für Grundeigentümer:innen

Rote Zonen sind Flächen, die derart stark gefährdet sind, dass sie für Siedlungs- und Verkehrszwecke nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand nutzbar sind. In Gelben Zonen sind Beschädigungen von Bauobjekten und Verkehrsanlagen möglich. Rot-Gelbe Funktionsbereiche sind für den bestehenden Hochwasserrückhalt und Hochwasserabfluss bedeutend und müssen deshalb freigehalten werden.

Eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Flächen in optimierten Retentionsräumen ist weiterhin möglich. Das heißt, es kommt zu keinen großflächigen Flächenversiegelungen. Um die zukünftigen Retentionsräume werden nur Dämme oder Mauern errichtet um das Wasser in der notwendigen Weise zurückzuhalten. Wie auch bei bestehenden Überflutungsflächen dürfen Retentionsräume zukünftig nicht bebaut werden.

Ein/e Grundeigentümer:in in einer Retentionsfläche ohne bauliche Maßnahmen enthält einerseits Entschädigung dafür, dass im Grundbuch das Recht eingeräumt wird, diese Flächen für den Hochwasserschutz zu nutzen (Verkehrswertminderung). Außerdem werden nach einer Überflutung  der Ernteentgang und die Rekultivierung der Fläche zu 100% entschädigt. Grundeigentümer, von denen Flächen für Bauwerke permanent benötigt werden, bekommen den Grund eingelöst. Dieser Grund geht in den Besitzstand des Wasserverbandes über.

In der Planung wurden nur Flächen berücksichtigt, die bereits heute bei einem Hochwasser überflutet werden würden, und die in der Rot/Gelben Zone liegen. An anderen Stellen müsste man aufwendig künstlich Flächen schaffen, die Wasser aufnehmen können.

Je weiter ein Rückhaltebecken vom Überflutungsgebiet entfernt ist, desto mehr Regen kann dazwischen fallen und ungehindert abfließen. Also besteht weiterhin großes Hochwasser-Risiko am Inn, wenn es unterhalb der Rückhaltebecken stark regnet.

Die Retention in Seitentälern bzw. in alpinen Räumen wirkt aber vor allem lokal, eventuell noch regional, hat aber kaum Effekte auf den Inn – das wurde in einer Studie bestätigt: Endbericht alpine Retention Teil 1 Endbericht alpine Retention Teil 2

Durch Aufweitung als alleinige Maßnahme kann eine Verschlechterung der Hochwassersituation flussabwärts nicht zu 100% garantiert werden, da die Ausuferung zum richtigen Zeitpunkt nicht gewährleistet werden kann. Hingegen kann in Kombination mit Hochwasserrückhaltebecken nicht nur ein Hochwasserschutz nach dem aktuellen Stand der Technik erreicht werden, sondern auch der Gewässerzustand positiv beeinflusst werden.

Warum ist das so?

Die Gefahrenzonenpläne werden laufend evaluiert. Wenn sich maßgebende Rahmenbedingungen (bauliche Maßnahmen/Grundlagendaten/Richtlinien etc.) zur Gefahrenzonenplanung ändern, erfolgt eine Revision der entsprechenden Gefahrenzonenpläne. Da sich im Unterinntal die Rahmenbedingungen seit der Erstellung der Gefahrenzonenpläne aber nicht maßgeblich verändert haben, müssen diese nicht angepasst werden.


Das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus hat die Erstellung der Gefahrenzonenpläne des Inn in Tirol auf eine Anfrage der Gemeinde Thaur hin sowohl von der Fachabteilung als auch von der Rechtsabteilung prüfen lassen.

Resultat: Die Erstellung des Gefahrenzonenplans Inn in Thaur (inkl. hydrologischer Längenschnitt) erfolgte verordnungsgemäß und nach den geltenden Richtlinien. Damit werden die Methodik und Vorgangsweise auch für alle anderen Gefahrenzonenpläne in Tirol bestätigt.

Zum Glück war Radfeld noch nie von einem HQ100 betroffen. Wir wissen aber, dass Hochwässer immer ganz unterschiedlich entstehen. Der Gefahrenzonenplan zeigt auf, was ein HQ100 in Radfeld anrichten kann.

Leider machen wir bei Naturgefahren immer wieder die Erfahrung, dass bestimmte Ereignisse noch nie eingetreten sind, dann aber plötzlich auftreten.

Bei der Suche nach geeigneten Flächen für die Retentionsräume wurden in der Planung nur Flächen berücksichtigt, die

  • bereits heute bei einem Hochwasser überflutet werden würden
  • und die in der Rot/Gelben Zone liegen.

An anderen Stellen müsste man aufwendig künstlich Flächen schaffen, um Wasser zurückhalten zu können.

Je weiter ein Rückhaltebecken vom Überflutungsgebiet entfernt ist, desto mehr Regen kann dazwischen fallen und ungehindert abfließen. Also besteht weiterhin großes Hochwasser-Risiko am Inn, wenn es unterhalb der Rückhaltebecken stark regnet – siehe auch Erklärvideo Hochwasserschutz Tirol – wie funktioniert’s?

Die Retention in Seitentälern bzw. in alpinen Räumen wirkt aber vor allem lokal, eventuell noch regional, hat aber kaum Effekte auf den Inn – das wurde in der Studie „Auswirkung Alpiner Retention auf die Hochwasserabflüsse des Inn“ der TU Wien 2017 bestätigt.

Die Berechnungen haben ergeben, dass von insgesamt 130 untersuchten alpinen Retentionsbecken bei einem Hochwasserereignis wie 2005 nur 15 Prozent „anspringen“ würden.

Warum? Der Niederschlag bei Hochwässern im alpinen Raum ist sehr unterschiedlich verteilt. Trotz einer potentiell großen lokalen Wirkung alpiner Rückhalteräume sind nie alle Becken in verschiedenen Tälern gleichzeitig wirksam, wodurch sich der gemeinsame Effekt auf das Inntal verringert (Scheitelreduktion bei einem hundertjährlichen Hochwasser von 1,5 – 1,7%). Siehe dazu auch:

 Endbericht alpine Retention Teil 1 Endbericht alpine Retention Teil 2

 

Durch Aufweitung als alleinige Maßnahme kann es zu einer Verschlechterung der Hochwassersituation flussabwärts kommen, da die Ausuferung zum richtigen Zeitpunkt nicht gewährleistet werden kann.

Die Kraftwerke der Engadiner Kraftwerke AG (EKW) liegen am Inn direkt an der österreichischen Grenze.

Die Abt. Wasserwirtschaft des Landes Tirol hat den potenziellen Wasserrückhalt der EKW bei einem Hochwasserereignis überprüft. Ergebnis:

  • Theoretisch könnte man dem Inn eine Pumpmenge von ca. 24m3/s Wasser entnehmen. Für die Planungen im Unterinntal wäre es aber wichtig, dass dieser Rückhalt bei jedem Hochwasser garantiert werden kann. Das ist laut aller Expertenmeinungen aber nicht möglich, da ab ca. einem HQ30 das Wasser an den Wasserfassungen nicht mehr eingezogen werden kann (Vorgabe in der Betriebsordnung).
  • Es kann festgehalten werden, dass es Hochwasserereignisse gibt, bei denen die Kraftwerkspeicher im Engadin einen Beitrag leisten könnten. Da dieser Beitrag jedoch bei großen Hochwässern nicht gesichert angesetzt werden kann, haben die Kraftwerke der EKW keine Auswirkungen auf den HQ100-Wert und damit auf die Planungen im Unteren Unterinntal.

Die bestehenden Großspeicherkraftwerke der TIWAG und des Verbundes gewährleisten bei Hochwasserereignissen schon jetzt eine Reduktion innerhalb ihrer Einzugsgebiete. Diese Rückhaltewirkung ist im hydrologischen Längenschnitt, also in den Planungen, abgebildet bzw. beücksichtigt.

Die Energie West hat 2020 das grundsätzliche Potential von Kraftwerkspeichern in einer Studie untersucht. Sie hat eingeräumt, dass es sich bei dieser Studie um eine Auflistung von topographisch theoretisch möglichen Speicherstandorten handelt, von denen selbst langfristig nicht einmal ein Bruchteil eine Chance auf Realisierung hat. Welche konkreten Kraftwerksprojekte und Standorte der rund 50 in der Studie genannten Speicherstandorte die Mitglieder der Energie West weiterverfolgen wollen, geht aus der Studie nicht hervor. Somit können weder deren grundsätzliche Realisierbarkeit eingeschätzt noch die allfälligen Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss berechnet werden. Die Studie wurde vom Landesverwaltungsgericht als unerheblich zurückgewiesen, da derart theoretische Überlegungen kein rechtlich relevantes Argument darstellen. Speicherkraftwerke wirken erst, wenn sie in Betrieb sind.

Das Land Tirol hat in der Studie „Wirksamkeit alpiner Kraftwerkspeicher für den Inn“ die derzeit in Umsetzung bzw. konkret geplanten Kraftwerksprojekte der TIWAG (SKW Kühtai, AK Kaunertal) hinsichtlich ihrer Auswirkung auf den Hochwasserrückhalt überprüft.

Ergebnis: Die in Bau befindlichen bzw. geplanten Erweiterungen der Kraftwerke Kühtai und Kaunertal wirken sich auf die Hochwassersituation am Inn aus. Die Reduktion der Scheitelabflüsse ist jedoch abhängig von der Niederschlagsverteilung im Hochwasserfall.

Jedes Hochwasser ist anders. Beim Hochwasser 2005 hätten sich die beiden zusätzlichen Großkraftwerke am Inn nur geringfügig ausgewirkt und den Hochwasserscheitel um lediglich 1,8% verringert. Beim Hochwasser 1985 hätte die Reduktion 2% betragen.

Die Kraftwerkserweiterungen haben demnach keine wesentlichen Auswirkungen auf die Hochwasserschutzprojekte im Unterinntal. Die Erweiterung Kaunertal ist vor allem ein effektiver Hochwasserschutz für das Öztal. Optimierte Retentionsräume und Linearmaßnahmen sind jedenfalls notwendig.